... Arthur Gordon Wolf ...
... über seine Kurzgeschichten, die Szene und Aktuelles
: Ein kleiner Schreiberling aus Wuppertal, der sein besonderes Faible für düstere Geschichten beim ersten Kontakt mit Edgar Allan Poe entdeckte. (So kam es schließlich auch zu meinem Vornamen-Pseudonym, angelehnt an Poes lange Novelle »Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym«.) Schon als Kind habe ich mir Geschichten ausgedacht (welches Kind macht das nicht?), und seit ich etwa 12 war, begann ich auch mit dem Schreiben. Die meisten dieser "Stories" scheiterten dann aber nach einer oder zwei Seiten, weil mir die Inspiration oder die Ausdauer fehlte. Die ersten "richtigen" Kurzgeschichten habe ich allerdings erst ab Mitte 20 geschrieben. Tja, und seit dieser Zeit beschäftige ich mich mehr oder weniger regelmäßig mit dieser seltsamen Tätigkeit.
: Ungewöhnlich? Das finde und fand ich damals überhaupt nicht. Ich war von Anfang an darauf aus, meine Erzählungen zu veröffentlichen. Da mir anfangs ohnehin die Menge fehlte, gleich eine komplette Erzählsammlung anzubieten, mussten es also Einzelstories sein. Was lag also näher, als die großen Magazine anzuschreiben? Ohne eine große Portion Naivität und unverdientem Selbstbewusstsein funktioniert so etwas natürlich nicht. Damals erschienen nicht nur in Playboy, sondern eben auch in Madame und vielen anderen Hochglanz-Magazinen Erzählungen mit Niveau. Selbstverständlich sammelte ich wie jeder Jungautor stapelweise vorgedruckte Ablehnungsschreiben, doch eines Tages gab es eine Zusage bei »Der Mann«. Und wenig später auch bei »Madame«. Man erhielt nicht nur richtig gutes Geld für die Veröffentlichungen, die Auflagen lagen damals auch bei 70-150.000 Exemplaren. Die Magazine lagen überall in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Was wollte man mehr! Die Tatsache, dass in den Ausgaben zuvor Stories von Patricia Highsmith oder Ernest Hemingway abgedruckt waren, steigerte die Freude natürlich nur noch. - Damals glaubte ich, von nun an würde es so weitergehen. Falsch gedacht. Heutzutage gibt es im Printbereich kaum noch ein Magazin, das regelmäßig Kurzgeschichten veröffentlicht. Und die Honorare für die Veröffentlichung in einer Anthologie reichen mit viel Glück für eine halbe Tasse Latte Macchiato bei Starbucks. (Wie gut, dass ich weder auf Latte, noch auf Starbucks stehe.)
: Etabliert? Meinst du wirklich? Ich bin immer vorsichtig mit solchen Formulierungen.Vielleicht liegt es ganz einfach daran, dass ich eben schon so lange schreibe. Bei Treffen mit Kollegen – wie jüngst in Leipzig – komme ich mir schon wie ein uraltes Fossil vor. - Was mich an der Kurzgeschichte reizt? Nun, das ist einfach. Im Bereich der Phantastik, des Horrors, ist die Kurzgeschichte eigentlich die perfekte Form: kurz, schnell auf den Punkt gebracht, dennoch atmosphärisch und mit einem zuweilen schockierenden oder verstörenden Ende. Auch wenn es alles andere als eine »Fingerübung« ist (wie viele Kritiker immer noch abfällig urteilen), den Leser binnen 15 oder 20 Seiten an der Gurgel zu packen, ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen, um ihn dann genüsslich fallen zu lassen, gelingt dies bei Kurzgeschichten oder Novellen einfacher, als eben bei Romanen. Ein wirklich etablierter Autor, mein hochgeschätzter Kollege Markus K. Korb, weigert sich daher bis zum heutigen Tag, einen Roman zu schreiben. Sehr zu meinem Bedauern und dem seiner Fans. Denn ich mag eben auch die düstere Langform einer Horror-Erzählung. Aber zurück zur Kurzgeschichte: Ich bin deswegen so regelmäßig in Anthologien vertreten, weil ich diese besondere Form der Prosa hochschätze. Nicht nur als Autor, sondern auch als Leser. Man schreibt doch generell nur das, was man selbst auch gern lesen würde. Alles andere wäre 'literarische Prostitution', und damit habe ich nichts am Hut. Aus diesem Grund spielt es auch eine eher untergeordnete Rolle, dass man mit Short-Stories keinen Blumentopf gewinnen (oder bezahlen) kann. Ich hätte allerdings auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich den Zeitaufwand und die Mühe für manche Erzählung betrachte. Oh, goldene 80er Jahre!
: Es freut mich, dass dir gerade diese Erzählung so gut gefällt. Bislang gab es nämlich zu »Düstere Pfade« keinerlei (öffentliches) Leserfeedback. Ja, mit den USA verbindet mich eine Art Hassliebe. Einmal wuchs ich durch Poe, Machen, Bierce, Lovecraft, King, Straub usw. höchst amerikanisiert auf. Das Fernsehen tat sein Übriges dazu. Fast alles, was mich faszinierte, spielte sich auf dem amerikanischen Kontinent ab. So kam es dazu, dass vor allem viele meiner frühen Stories in den USA spielten. (Wie man bei 'Caskelih Peak' sieht, geschieht dies aber auch heute noch.) Für meine Recherchen zu »Katzendämmerung« bin ich aber auch selbst in die Staaten gereist und die Natur hat mich einfach begeistert. Seitdem bin ich immer wieder dorthin zurückgekehrt (vornehmlich in den Westen), um Canyons, Wüsten und Wälder unsicher zu machen. Aber auch New York ist eine tolle, unvergleichliche Stadt (ich war allerdings zuletzt vor 9/11 dort.) Es ist vor allem die Weite des Landes, die mich fasziniert. Das gleichzeitige Ausgeliefertsein, kaum dass man drei Schritte aus der Haustüre macht. Dort können sich dramatische Szenen halt wesentlich einfacher entwickeln, als in unserer zersiedelten Region. Die Hassliebe hat dann eher etwas mit den Menschen dort zu tun, oder einem Teil davon. Waffenfanatismus, Rassismus, Umweltzerstörung wären nur drei Aspekte, die mir da sauer aufstoßen. Aber ich will hier nicht zum Ankläger werden: bei vielen Dingen müssen wir Deutsche oder Europäer uns zuerst an die eigene Nase fassen.
: Nun mach aber mal halblang!! Ich habe dir nichts für dieses Interview bezahlt! Ehrlich, meine lieben Leser! Die Fragen hat sich Uwe wirklich selbst ausgedacht und formuliert. Du meine Güte! Jetzt werde ich schon bei einem Online-Interview rot!
Zurück zur Frage: Da hast du dir aber ein noch selteneres »Pflänzchen« ausgesucht. Ja, »Spiegelberg« ist etwas Besonderes, ein Liebhaber-Projekt von Alfred und Christiane. Immer streng auf 125 Exemplare limitiert. Ich hatte bislang die ersten beiden Teile (und den Kurzroman »Perfektion«) mit Vergnügen gelesen und war daher gleichzeitig überrascht und erfreut, als Alfred mich wegen einer Teilnahme an Teil Drei fragte. Alfred ist ja auch Verlagskollege beim Luzifer-Verlag, wo sein noch viel zu unbeachtetes »Brainfuck« erschienen ist. Er ist sehr engagiert, was Lesungen betrifft und nimmt auch lange (unbezahlte!) Wege dafür in Kauf. So konnte ich ihn auch schon live in Wuppertal erleben, wo er leider vor viel zu wenigen Zuhörern seine düsteren Geschichten zum Besten gab. Tja, daher war es für mich natürlich eine Ehre, bei seinem Projekt aushilfsweise einzuspringen. (Ab Band 4 ist Christiane dann wieder mit von der Partie.) Da interessiert es eben auch wenig, ob die Erzählungen das 'große Publikum' erreichen. Alfred musste mich also nicht lange überreden.
: Die Szene ist (und war) leider sehr übersichtlich. Düstere Phantastik und Horror sind ja ohnehin Sparten innerhalb einer Sparte. Und Kurzgeschichten bilden darin nochmals eine sehr schmale Nische. Es ist nun mal eine Tatsache, dass die Europäer allgemein und die Deutschen im besonderen, ein großes Problem mit Kurzgeschichten haben. Selbst Fans der Horror- und Phantastik-Literatur betrachten Anthologien als 'nicht vollwertig', als 'Mogelpackung', als 'amateurhafte Fingerübungen'. Ohne das unermüdliche Engagement diverser Kleinverlage wäre die phantastische Kurzgeschichte bei uns schon längst ausgestorben – im Printbereich jedenfalls. In den vergangenen Jahren sind allerdings eine fast unüberschaubare Menge an Anthologien erschienen, und dabei habe ich die Werke der Selfpublisher noch gar nicht mitgezählt. Da ist es natürlich klar, dass die Wahl zur Qual wird. Doch selbst bei professionell editierten Ausgaben mit qualitativ hochwertigen Arbeiten wird dem Leser niemals jede Geschichte gefallen können. Dafür sind die Geschmäcker einfach zu verschieden. Aber das ist doch gerade der Vorteil einer derartigen Sammlung. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit kann ich die verbreitete Ablehnung oder Geringschätzung von Kurzgeschichten nicht nachvollziehen. Ähnlich wie ein Musik-Clip kann man sich zehn, zwanzig Minuten mit einer Story befassen und das Buch danach zuklappen. (Oder den eReader ausschalten.) Offenbar bereitet es aber vielen Lesern dennoch Mühe, sich für kurze Zeit auf eine neue Situation/neue Protagonisten einzulassen.
Was meine Veröffentlichungspraxis betrifft, so arbeite ich schon seit langem nur noch für ganz spezielle Projekte, die an mich herangetragen werden. Ab diesem Jahr habe ich mein Engagement allerdings deutlich heruntergeschraubt, um mehr Zeit für längere Texte zu haben. Die Erfahrung hat mich halt gelehrt, dass man mit Erzählungen nicht nur nichts verdient, sondern eben auch nicht als Autor wahrgenommen wird. (Deine Fragen zu meinen recht unbekannten Stories erstaunen mich daher nicht schlecht. )
: Schon wieder so eine alte, kleine Story, von der ich dachte, dass sie schon längst Staub angesetzt hätte.
Alisha Bionda ist ein Sonderfall – für mich persönlich als Autor und für die gesamte deutschsprachige Phantastik-Szene. Ohne ihr jahrzehntelanges Engagement wäre die deutsche Verlagslandschaft um viele tolle Anthologien und Romane ärmer. Der Kontakt zu ihr ist zwar nicht eng – allein schon deshalb, weil Alisha die meiste Zeit des Jahres über auf Mallorca weilt, doch er ist seit vielen Jahren nie abgerissen. Erst vor einigen Tagen habe ich ihr für ein neues Projekt eine Zusage erteilt. (Riesen-Ausnahme!!!) Alisha hat mich auch bei meinen ersten Schritten als Autor begleitet – so entstand der Prolog von Katzendämmerung (Die Flammende Jenny) auf ihr Anraten. - Alisha hat in der Zwischenzeit einen festen 'Autorenstamm', mit dem sie arbeitet, und auf den sie sich verlassen kann. Da genügt meist eine kurze Vorstellung eines neuen Projekts mit Deadline von ihrer Seite und eine Zusage vonseiten des Autors. Fertig.
: Das UMC-PROJEKT treibt mich schon seit mehr als 20 Jahren um. Meine erste veröffentlichte Story »Liebe mich!« war eine UMC-Erzählung. Damals wusste ich es aber noch nicht. - Worum gehts? Ich schildere eine dystopische Sicht auf unsere Welt. Wir befinden uns in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft. Staaten als solche existieren nicht mehr. Die eigentliche Macht wird von Mega-Konzernen ausgeübt. Einer der größten 'Global-Player' ist die UMC (United Merchandising Company), die nahezu alles herstellt, was der Mensch zum Leben braucht. Ihren größten Umsatz macht die Firma allerdings mit der Herstellung von KI-Produkten. Virtual-Reality-Spiele, die Menschen in andere Welten entführen, aber auch Hardware, Androiden, die von Menschen (oder auch Tieren) kaum zu unterscheiden sind. Eines Tages beginnen diese Systeme allerdings vermehrt zu versagen. Es kommt zu Todesfällen, die die Firma natürlich geheimhalten will. Etwas, eine unbekannte Macht, bedient sich der künstlichen Intelligenzen, um ihre ganz eigenen Ziele zu verfolgen. - In der betreffenden Story geht es halt um einen VR-Spieler, der virtuelle Realität und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann. (Existiert dieser Unterschied überhaupt noch?) Er verliert sich sprichwörtlich in einer düsteren Mystik-Welt. Mit fatalen Folgen.
: Erst einmal handelt es sich bei den Weissen Männern »nur« um eine Novelle. Sie läuft unter »Horror«, weil das, was dem Helden dort passiert, schon düster-phantastische Züge besitzt. Er kommt hinter ein Geheimnis, das mit den Problemen der UMC verknüpft ist, gleichzeitig aber eine noch geheimere Gruppierung auf den Plan ruft. Und dann sind da noch die gesellschaftlichen Aussteiger, die abfällig »Feuerhüter« genannt werden. Sie leben im Untergrund und bekämpfen UMC und die Weissen Männer gleichermaßen.
: UMC scheint so etwas wie mein persönlicher 'Dunkler Turm' zu sein (qualitativ und umfänglich natürlich Galaxien von Kings Meister-Saga entfernt.). Ich schreibe permanent weiter an der Storyline. So erscheint in wenigen Wochen eine weitere UMC-Novelle, streng limitiert in der Anthologie »Ulthar – Ein Reiseführer« im Basilisk Verlag. Es liegen aber schon zwei komplette Romane in der Schublade. Einer davon, eine indirekte Fortsetzung der Weissen Männer - »Madenjäger« -- wird hoffentlich bald einmal das Licht der Welt erblicken. Der andere, noch längere Roman, befasst sich rund um die Ereignisse, die ich in der »Dunwich-Pforte« beschrieben habe. Und ich habe mich noch immer nicht in die Zeit vorgetraut, in der es dann wirklich zur Sache geht. Es gibt also noch viel zu erzählen. Sehr viel!
: Das war ganz einfach eine Herausforderung, die ich deswegen gerne angenommen habe. Geschichten erzählen in einem recht festgelegten Setting mit bekanntem Personal usw.. Ähnlich herausfordernd waren für mich auch meine Sherlock Holmes-Erzählungen.
: Ohja. Das war wirklich eine mehr als schwere Geburt, für dessen letztendliche Vollendung ich Steffen Janssen vom Luzifer Verlag mehr als dankbar bin. - Gereizt hat mich vor allem die Kombination: Erotik, Mystik, Katzen, Ägypten, Amerika. Als ich mit dem Schreiben begann, ahnte ich ja noch nicht, wohin mich diese Reise noch alles führen würde. Und welcher immense Recherche-Aufwand mir noch bevorstand.
: Eine recht große. Man erfährt, dass man von der 'Szene' Beachtung gefunden hat. Das ist doch schon was, oder? Deswegen hebe ich aber nicht ab. Auch als meine Novelle »Die Dunwich-Pforte« den ersten Preis erringen konnte, änderte sich nichts. Das Ebook gilt weiterhin als »Geheimtipp«, das alle drei Monate einmal runtergeladen wird. Preise mögen eine innere Bestärkung sein, eine extrinsische Motivation, doch sie helfen leider weder dabei, unter der Leserschaft bekannter zu werden, noch dass man mehr Bücher verkauft.
: Wie schon angesprochen erscheint demnächst »Ulthar-Ein Reiseführer« mit einer neuen UMC-Novelle. Irgendwann im Spätsommer wird eine eAnthologie mit Katzenstories im Arunya Verlag erscheinen (»Meerkatzen«), für die ich eine Geschichte verfasst habe, die – oh Wunder! - einmal alles andere als düster daherkommt. Weitere Anthologieprojekte lauern schon seit einigen Jahren auf ihr Erscheinen (darunter auch eine mit einer weiteren UMC-Erzählung). Im kommenden Jahr erscheint voraussichtlich endlich wieder ein neuer Roman von mir. Diesmal handelt es sich um einen Thriller, der in Wuppertal, Düsseldorf und Umgebung spielt. Ich wollte endlich einmal etwas Regionales schreiben. Ich bin mal gespannt, wie das Buch aufgenommen wird.
Und ganz aktuell sitze ich an einem neuen Roman, in dem es um Märchen und Spuk geht. Irgendwo auf einer dänischen Insel. Mehr sei aber noch nicht verraten.
Kurzgeschichten, Novellen und Romane, die im Interview angesprochen werden: